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Liebe Freundinnen und Freunde des Hausgemeinschafts-BLOG,

als ich den BLOG 2011 begann war ich gänzlich unerfahren und hatte nur die Idee, mit Geschichten aus den Hausgemeinschaften etwas zum besseren Verstehen von Menschen mit Demenz beizutragen. Nebenbei ergab sich dabei auch die Gelegenheit, das Konzept der Hausgemeinschaften bekannter zu machen.

Heute, im November 2023 schließe ich den BLOG schweren Herzens. Viele, sehr viele Menschen sind im Laufe der Jahre in den Hausgemeinschaften Am Heimbach heimisch geworden, die meisten haben ihr Leben auch in unserem Haus beendet. Diese wunderbare Aufgabe, Menschen zu begleiten, die selbstständig nicht mehr leben können, ihnen einen Ort zu bieten, der ein Zuhause werden kann, einen Lebensort zu schaffen, der auch ein guter Ort zum Sterben sein kann – das war mein Anliegen in den letzten 15 Jahren.

Die Dankbarkeit dafür, wieviel wunderbaren Menschen ich im Lauf der Jahre begegnet bin, ist groß.

Mitarbeiterinnen, Angehörige, die Menschen, die wir begleiten durften, – sie haben die 233 Geschichten geschrieben, die sie meist monatlich hier lesen konnten.

Danke!!! Heike Schaumann

PS: ich würde mich über Kommentare freuen, wie es euch Lesern gefallen hat!

Bei uns wird gebaut. Ein ganzer Wohnbereich lebt zur Zeit im Keller, weil der Tagesraum einen neuen Fußboden bekommt. Es ist ganz gemütlich aber auch anstrengend. Für einige Bewohner:innen ist es schwer, weil sie sich nicht so gut umgewöhnen können. G gehört zu ihnen, den ganzen Tag wandert sie durch die Kellergänge. Immer wieder schaut sie bei mir im Büro vorbei und wir reden ein paar Worte. Heute wartet sie vorm Aufzug und möchte mit mir kommen. Wir fahren gemeinsam durchs Haus. Schauen auf meiner Freitag- Mittagsrunde erst im Dachgeschoss vorbei. G hält meine Hand und wir erkundigen uns beim Team, wie das Wochenende aussieht. Alles ok soweit. Im Erdgeschoss gibt es Geburtstagskuchen und wir bekommen auch was davon ab. G schaut ernst, sie fühlt sich oft etwas überlegen, macht Bemerkungen mit ihrem trockenen Humor. Ich bringe sie wieder in den Keller zurück. Sie bleibt kurz stehen und sagt:“Du bist auch einer von denen die mich tragen.“ Das ist, was mich trägt.

Liebe Grüße Heike Schaumann

Im Juni hat uns der große Regen erwischt. Die Hausgemeinschaften sind überschwemmt, Wasser strömt durch die Decken im ersten und zweiten Stock. Jetzt muss renoviert werden. Das ganze Parkett in den Wohnräumen kommt raus und dann wird zwei Wochen getrocknet, bevor der neue Fußboden verlegt werden kann. Für uns heißt das, die ganze Wohngruppe zieht mit ihrem „Lebensraum“ in den Keller. Dort haben wir den Therapieraum so eingerichtet wie die Bewohner:innen es kennen (die Zimmer sind nicht betroffen).

Der erste Tag ist wuselig, keiner weiß so richtig wohin, aber nachdem sich alles etwas sortiert hat und die Menschen wieder einen gemeinsamen Tisch haben, wird es dann doch gemütlich. Alles ist etwas kleiner als oben, aber das hat auch seine Vorteile. Frau K hat die meisten Probleme, am ersten Tag läuft sie den ganzen Tag durchs Haus und sucht unsere Nähe, um wieder Sicherheit zu gewinnen. Nach und nach findet sie sich mit der neuen Situation zurecht, und heute, zwei Tage später ist alles schon „normal“. Überhaupt ist mehr Durchlässigkeit entstanden. Nicht nur durch die äußeren Umstände: auch der Personalmangel hat bewirkt, das alle im Haus enger zusammen arbeiten. Viel mehr als früher, sind wir im Haus untereinander in Kontakt und helfen uns gegenseitig. Frau H und Frau J verbringen jetzt ihre Mittagspause im Dachgeschoss und alle genießen die Abwechslung. Herr T fragt mich leise, „was ist mit der Frau los“, er zeigt auf Frau J, die in ihrem fahrbaren „Nestchen“ liegt. Ich weiß erst nicht was ich ihm sagen soll. „Sie kann nicht aufstehen“, „Oh“, ich höre aus seiner Stimme tiefes Mitgefühl. Herr T ist selbst sehr pflegebedürftig, die Demenz fortgeschritten, aber er kann sich noch frei bewegen und Frau J´s Zustand berührt ihn.

Der erste Stock ist ausgeräumt, der Estrich trocknet langsam. So nach und nach freuen wir uns auf den neuen Fußboden, vielleicht sortieren wir das eine oder andere aus, jede Veränderung ist auch ein Neustart. So unbeweglich wie wir denken sind Menschen mit Demenz vielleicht gar nicht …Wie so oft in den letzten Jahren bringt uns die Krise auch zusammen, wenn wir aufs große Ganze schauen.

Herzliche Grüße Heike Schaumann

Immer wieder überrascht mich die Kraft der Musik. Wie sie Menschen erreicht und sie aufweckt aus ihrer Lethargie, aus der Passivität, und sie auch beruhigt. Frau M ist neu eingezogen, sie ist noch sehr in ihrer Abwehr gefangen. Vieles versteht sie nicht: warum ist sie jetzt hier? Sie provoziert uns, weil sie sich nicht anders wehren kann. Aller Anfang ist schwer. Für uns alle. Und dann ist da Musik! Im Radio läuft ABBA. K dreht es mal auf laut. Und siehe da: Frau M singt mit und ist plötzlich gelöst, fröhlich beinah. Sie bewegt sich zur Musik. Die Situation im Wohnbereich entspannt sich. Heute ist Frau M auch beim Chor, Friederike singt Meer- und Piratenlieder mit unseren Bewohner:innen. Ich linse durch die Tür und sehe Frau M aus voller Kehle mitsingen. Der Anblick berührt mich, wie ausgeglichen und dazu gehörig dieses Bild wirkt. Ich weiß, es werden noch schwierige Situationen kommen, bis Frau M wirklich bei uns ankommt: ein „Heilmittel“ ist schon gefunden.

Herzliche Grüße Heike Schaumann

PS: Am 14.7. ist Sommerfest, natürlich mit Live Musik vom Duo Zweierlei

Frau K sitzt allein in der Blumenecke, als ich komme. Sie hat halb geschlafen. Ich setzte mich zu ihr, und versuche ins Gespräch zu kommen. Frau K ist recht einsilbig, erstmal bekomme ich nur „ja“ und „nein“ auf meine Fragen zu hören. Wir sprechen über ihre Handarbeiten, die schon fast mehr Kunst als Handarbeit sind. Ich habe ihre Arbeiten im Internet gesehen. Frau K wacht etwas mehr auf, und schaut mich sehr intensiv an. Vielleicht fragt sie sich, woher ich weiß was sie getan hat, und wer sie überhaupt ist. Mir kommt es vor, als ginge jetzt ein Erinnern in die Tiefe vor sich. Ja, sie weiß es jetzt auch wieder! – Ich habe schöne Dinge erzeugt, Dinge die andere sehr schön finden. Nicht viele Menschen konnten das so wie ich – . Ich frage sie, ob ihre Familie ihre Fähigkeit auch so inspirierend fand: „Ja, natürlich, selbstverständlich.“

Wir reden noch ein Weilchen. Frau K ist jetzt sehr wach, und sie sagt, fast erstaunt: „Jetzt haben Sie was in mir geweckt.“

Ich freue mich.

Liebe Grüße Heike Schaumann

Für alle Menschen ist es wichtig einen guten Platz im Leben zu finden. So geht es auch Menschen mit einer Demenz. Wenn ich die Menschen in den Hausgemeinschaften befragen würde, kämen sicher viele unterschiedliche Antworten zu dieser Frage. Natürlich sollen die Umstände gut sein: Wärme, Essen, draußen sein können, tun was ich will, mobil sein – und vor allem – nicht allein sein.

Frau J sehnt sich nach ihren Kindern, sie schimpft auch viel, dass sie nicht kommen, nicht bei ihr sind. Sie sucht in jedem Moment die Nähe zu uns Mitarbeiter:innen, sie nimmt viele Dinge sehr klar wahr und kommentiert sie dann auch oft mit Schärfe, mit Sarkasmus. In aller Verwirrtheit, ist da dieser Sprachwitz, und gleichzeitig spüre ich die Trauer und die Verzweiflung über ihre Situation. Dabei ist es kein Widerspruch: Frau J hat sich eingelebt, sie kennt uns alle sie sucht die Nähe, sie sucht meine Hand und möchte, dass ich in ihrem Zimmer bei ihr sitze. Heute gehe ich mit ihr und wir sitzen eine Weile auf dem Sofa. Unser Gespräch ist vertraut, ohne wirkliche Inhalte. Es geht um ihre Familie „Wo sind die eigentlich?“, um die Beschäftigungsangebote. „Alles langweilig!“ Plötzlich sagt sie : „Ich suche noch meinen guten Platz im Leben.“

Das verstehe ich, dieser Satz ist schön und traurig zugleich. Es bedeutet für mich die Suche nach dem Guten und Richtigen in der Betreuung und Sorge um alte und kranke Menschen in unserer Gesellschaft.

Liebe Frau J, danke für die Inspiration!

Herzliche Grüße Heike Schaumann

Jetzt krieg ich doch Angst. Sowas darf ich nicht schreiben. Nicht denken. Nicht fühlen.

In meinen Beratungen zum Thema Demenz und Einzug in unser Heim, begegnen mir Angehörige am Rande ihrer Belastbarkeit. Wenn sie beschreiben wollen, was sie täglich aushalten, dann ist es für die meisten schwer in Worte zu fassen, wie sie sich fühlen. Wie ist es anderen vermittelbar, wie es sich anfühlt den ganzen Tag und Teile der Nacht mit jemandem zu verbringen, der nichts mehr allein tun kann, der nicht fähig ist, den einfachsten Plan ohne Hilfe umzusetzen. Jede Sekunde verfolgt zu werden, nicht aus dem Blickfeld verschwinden zu können, ohne dass der desorientierte Partner mich sucht, nach mir ruft. Das Leben mit dem demenzkranken Ehepartner ist einsam, es ist anstrengend und verwirrend, weil kein Gefühl zu passen scheint. Liebe, Trauer, Wut, Angst, Hoffnungslosigkeit – wer will das Knäuel noch entwirren. Die Grenzen verschwimmen: Tag und Nacht, Liebe und Haß, Hoffnung und Verzweiflung.

„Ich mach das keinen Tag länger“, „manchmal will ich einfach nur abhauen“, „es muss doch irgendwie weiter gehen“ …

Es gibt Unterstützung, Hilfsangebote, sehr gute Tipps zum Umgang mit Menschen mit Demenz. Nichts bereitet die Angehörigen auf die Einsamkeit und die Abschiede vor, die ihnen täglich bevorstehen. Sicher, jeder Mensch geht anders mit den Herausforderungen um, mancher findet Wege zu entspannen, Freiräume zu schaffen, in denen neue Kraft gesammelt werden kann. Früher oder später geraten Angehörige aber dann doch an den Punkt der Entscheidung: ich oder der Partner.

In der Beratung gehrt es dann meistens um die Frage der Grenzziehung. Wann beginnt die Situation zuhause so zu eskalieren, dass die physische und psychische Gesundheit der Pflegenden auf dem Spiel steht. Ich bin oft nur die Person, die ausspricht, was offensichtlich ist: es geht so nicht weiter. In der immer krasser werdenden Abhängigkeit des Menschen mit Demenz vom Betreuenden fällt es schwer zu erkennen, dass ja auch das eigene Leben gefährdet ist. Der andere ist krank, er braucht meine Hilfe, er kann ohne mich nicht überleben! Klarheit über die Folgen, oft einfach das Aussprechen des Sichtbaren, hilft den Angehörigen die Lebenssituation zu überdenken, den Mut zu finden sich einzugestehen, dass sich etwas verändern muss.

Manchmal hilft es auch zuzulassen, über das Ende nachzudenken, sich auseinander zu setzen mit dem unausgesprochenen Wunsch: Besser du wärst nicht mehr hier.

nachdenkliche Grüße aus den Hausgemeinschaften Heike Schaumann

Eine neue Bewohnerin der Hausgemeinschaften erfordert unsere besondere Aufmerksamkeit. Es ist nicht einfach ihre Situation in die Möglichkeiten unserer Wohngruppe zu integrieren. Sie ist noch jung, ihre Erkrankung verläuft schnell. D ist schon lange in der Pflege, sie hat diese besondere Gabe, Menschen zu beruhigen, ihnen einen Raum zu geben in dem sie sich frei und lebendig fühlen. Sie nimmt sich heute nachmittag Frau H´s an. Als ich komme sehe ich D und Frau H auf dem Sofa sitzen, sie trinken zusammen Tee. Seit ihrem Einzug vor zwei Wochen habe ich Frau H nicht so entspannt gesehen. Es ist wie ein ganz normales Teestündchen. D holt noch Frau B und Frau J in die Sitzecke, sie plaudern auf eine etwas kuriose Art miteinander. Frau H ist gelöst, sie ist auf Augenhöhe mit D und fühlt sich sichtlich wohl. D ist nicht eingebildet, sie sieht es nicht vor allem als professionelle Fähigkeit – es ist ihr ein persönliches Anliegen Menschen gut zu behandeln, und sie zu beschützen. Das Bedürfnis anderen zu helfen, wird in unserer Gesellschaft immer öfter als „unprofessionell“ abgewertet. Erst wenn alles dokumentiert und nach Standard funktioniert, wird die Pflege als gut angesehen. Wie dumm ist das oft, nie werden wir Menschen nach Standards menschlich begleiten können. Meine Aufgabe sehe ich in der Gestaltung und dem Lebendig-Halten von Räumen, in denen Szenen wie diese Alltag sind, und noch mehr Alltag werden. Ich schreibe darüber, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. In unserer Dokumentation wird es nicht stehen ….

Liebe Grüße Heike Schaumann

Heute ist ein angemeldeter Bewohner nicht bei uns angekommen. Er wurde von einer Frau, die ihn eigentlich betreuen soll, „entführt“. Als seine Familie ihn zu uns bringen will, ist er nicht in seiner Wohnung. Die Frau, die ihn zum Teil versorgt hat, hat ihn überredet seine Wohnung mit ihr zu verlassen, um nicht bei uns im „Gefängnis“ zu landen. Das klingt zum Teil lustig, oder wohl eher tragisch-komisch: Menschen müssen beschützt werden, damit sie nicht im Altenheim landen. Herr T selbst schien ganz zufrieden mit der Entscheidung in eine Einrichtung zu ziehen. Er ließ sich aber auch leicht dazu bringen, es dann doch nicht zu wollen. Ich finde es ist eine Geschichte zum Nachdenken, über uns, über die Menschen, die Altenheime schlimm finden, über die Menschen, die nicht mehr allein zuhause leben können. Mit manchen Einschätzungen hat die „Entführerin“ vielleicht sogar Recht. Müssen Menschen, die in ein Altenheim ziehen zu viel von ihrer eigenen Persönlichkeit aufgeben? Ist es in jedem Fall besser in seinen eigenen vier Wänden zu bleiben? Was ist mit der Versorgung in der Wohnung, ist es vielleicht auch Eigennutz warum diese Frau Herrn T „nicht hergeben will?“ Viele Fragen, die ich mir auch ohne Entführung immer wieder stelle. Das Leben im Heim ist eine Gratwanderung, sowie es in anderer Weise auch das Leben zuhause sein kann. Ich lerne täglich Menschen kennen, die den Druck durch eine pflegebedürftige Person im Haushalt nicht mehr aushalten können. Ich lerne Menschen kennen, die sich in ihrer Demenz, in ihrer Pflegebedürftigkeit nicht mehr entscheiden können, wie sie nun eigentlich leben wollen. Menschen, die traurig sind ihr Heim zu verlieren, aber auch erleichtert, dass sie die Verantwortung nicht mehr tragen müssen.

Es gibt auf die Fragen keine einfachen Antworten. Mich ermutigt diese Geschichte zu versuchen, so viel Freiheit, wie ich kann, zu ermöglichen.

Viele Grüße an alle 🙂 Heike Schaumann

Ich komme in den Wohnbereich und M begrüßt mich mit diesem Lied. Mit zittriger Stimme singt sie „Wir wollen niemals auseinander gehn, und wollen immer zueinander stehn“, ich steige sofort ein. Wie lange hat sie schon keinen ganzen Satz mehr gesprochen, und nur vor sich hin geschaut. Jetzt lachen wir uns an und M ist ganz im Hier und Jetzt. „Nutze den Augenblick“, wie oft erzähle ich das den Kollegen. Gerade ist wohl so ein Moment. Dann kommen noch Frau J und Frau Z dazu, auch sie weit fortgeschritten in der Alzheimer Demenz. Frau J freut sich über unseren Gesang. Sie lacht selten, jetzt ist sie fröhlich und legt ihren Kopf an D`s Schulter. Auf dem Sofa sitzt Frau Z und freut sich mit. In diesem Moment kommt K um die Ecke, auch sie bleibt stehen und steuert einen Song bei: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht!“ M grinst schelmisch, ja sie kennt das Lied natürlich auch.

Ein Augenblick voller Normalität und Freude, fröhlicher geht jede von uns wieder ihrer Wege.

Herzliche Grüße Heike Schaumann

Demenzfreundliches Wehlheiden

Ansprechpartner

Hausgemeinschaften am Heimbach
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34121 Kassel

Heike Schaumann (Heimleitung)
Fon: 0561/50698-520
Fax: 0561/50698-599
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Petra Peter (Pflegedienstleitung)
Fon: 0561/50698-576

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